verhandeln
Wir alle verhandeln täglich: im Beruf, in der Familie und – oft übersehen – mit uns selbst. Meist ist uns gar nicht bewusst, dass wir uns in einer Verhandlungssituation befinden. Es läuft ja in der Realität anders als in Filmen oder am berühmten Basar, wo nach völlig überzogenen Forderungen, lächerlich geringen Angeboten und wild herumfliegenden Zahlen ganz plötzlich eine Einigung da ist. Und nur in den seltensten Fällen wird ein Verkäufer einem potentiellen Käufer bis auf die Straße nachlaufen, um das Geschäft abzuschließen. Und natürlich kann das sture Beharren auf die eigene Position auch einmal funktionieren – es ist aber nur zu empfehlen, wenn man sicher sein kann, dass man sein Gegenüber nicht mehr wiedersieht. Aber wer kann sich da schon sicher sein? Denn ist die Vertrauensbasis einmal zerstört, braucht es größte Anstrengungen, um diesen Bruch wieder zu kitten. Und das kostet Energie, die man viel besser in das eigentliche Ziel investieren könnte. In die Beziehung zum Verhandlungspartner zu investieren, zahlt sich aus – dieses Wissen unterscheidet oftmals die erfolgreichen von den weniger erfolgreichen Menschen.
Im beruflichen Umfeld sprechen wir also nicht ohne Grund von Geschäftsbeziehungen. Wer nicht laufend verbrannte Erde hinterlassen und seine Geschäftspartner austauschen will, kommt an den Themen Beziehungen und Vertrauen bei Verhandlungen nicht vorbei. Verhandlungspartnern permanent die Daumenschrauben anzuziehen, lässt sich mit einem vertrauensvollen Beziehungsaufbau nicht verbinden. Wir verhandeln in erster Linie mit Menschen. Auch wenn sie ihre Bedürfnisse nicht immer zeigen, sie sind vorhanden. Wer darüber hinwegsieht zahlt einen Preis – früher oder später.
Schon öfters wurde ich gefragt, ob Verhandlungen dann besonders schwierig werden, wenn beide Seiten viel Verhandlungsknowhow haben. Das Gegenteil ist der Fall. Schwierig sind Verhandlungen dann, wenn jemand sie mit dem Beharren auf die eigene Meinung verwechselt. Das würde Profis nicht passieren. Sie versuchen, gemeinsam ein gutes Ergebnis zu erzielen und Optionen zu erarbeiten, die beiden Seiten einen Zusatznutzen bringen, der vorher nicht offensichtlich war. Die wahre Kunst des Verhandelns ist nicht die Verteilung des Kuchens, sondern dessen Vergrößerung. Kreative Lösungen sind gefragt.
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Gemeinsam mit den vielen Verhandlungssituationen aus seinem Fundus an Erfahrung, von denen Dieter Brosz aus erster Hand erzählt, sind es diese Rollenspiele und praktischen Übungen, die in Erinnerung bleiben. Es ist erstaunlich (und ernüchternd), wie schnell die zuvor angeeignete Theorie perdu ist, wenn man in die Verhandlung eintritt; selbst wenn die Situation eine gestellte ist. Ich durfte einmal den Geschäftsführer eines ländlichen Unternehmens aus der Energiebranche spielen und mit dem Bürgermeister des Ortes verhandeln. Laut Angabe hatten wir beide gemeinsam die Schulbank gedrückt. Die Übung hat großen Spaß gemacht. Aber sehr schnell waren wir dabei auf einer emotionalen Ebene und haben uns darin gemessen, wer von uns nun schlagfertiger ist. Erst in der gemeinsamen Analyse danach ist mir so richtig bewusst geworden, in wie viele Fallen ich beim Auslegen meiner Rolle getappt bin. Noch heute zehre ich von dem, was ich dabei (und im gesamten Kurs) gelernt habe – nicht nur in klassischen Verhandlungssituationen, sondern auch im Alltag.